Warum altern wir? Was passiert also im menschlichen Körper, dass wir älter werden? Genau dieser Frage gehen wir in den folgenden Abschnitten nach. Dieser Artikel gehört zu unserem Bereich Biologie des Menschen.
Seit Anbeginn der Menschheit fragen sich Menschen, warum sie älter (und dabei auch kränker) werden. Und dazu gab es im Verlauf der Menschheit mehr als nur eine Theorie. Es gibt zahlreiche Websites und Bücher zu diesem Thema. Oft liest man auf diesen dann etwas von schlechter Ernährung, Stress, Rauchen oder auch Sonneneinstrahlung. Auch (freie) Radikale werden sehr gerne genannt. Und dies alles sollte man vermeiden oder minimieren. Nur eines sollte jedem klar sein: Selbst wer einen idealen Lebensstil hat, altert dennoch.
Aus diesem Grund sehen wir uns hier den menschlichen Alterungsprozess aus einem ganz anderen Blickwinkel an. Ein Teil der Biotechnologie-Forschung in den USA setzt inzwischen ein anderes Modell ein. Es basiert auf den Angaben der SENS Research Foundation. Deren Modell wird inzwischen von zahlreichen Forschern unterstützt. Nach der Auffassung von SENS gibt es im Verlauf der Jahrzehnte unseres Lebens sieben Veränderungen im menschlichen Körper, die uns alt und krank werden lassen. Sehen wir uns also dieses Modell einmal an.
Zunächst einmal soll ein Missverständnis aufgeklärt werden: Viele Menschen verstehen den Zusammenhang zwischen Krankheit und Alter nicht. Viele sehen auf der einen Seite Krebs, Alzheimer, Herzinfarkt etc. als schlimme Krankheiten an, gegen die man Medikamente entwickeln sollte. Auf der anderen Seite sehen sie den menschlichen Alterungsprozess als normal und völlig in Ordnung an. Diese Sichtweise ist jedoch definitiv falsch. Das Modell von SENS zeigt dabei genau, was sich im Körper im Verlauf der Zeit ändert und wie dies uns krank macht. Um es klar und deutlich zu sagen: Das, was den Menschen krank macht, macht ihn auch alt. Genau dessen sollte man sich bewusst sein.
Die folgende Grafik zeigt, welche sieben Veränderungen im Verlauf des Lebens mit uns passieren und welche Folgen diese Änderungen für uns haben. Jede diese Veränderungen ist - wenn sie nur ausreichend weit fortgeschritten ist - für den Menschen tödlich. Die Spalte ganz rechts zeigt in ganz kurzer Form, welche Maßnahmen die SENS-Forschung anstrebt, um das jeweilige Gesundheitsproblem zu beseitigen. Details folgen im Anschluss an die Liste.
Wir haben eben den menschlichen Alterungsprozess mit sieben Punkten beschrieben. Aber eben nur in Kurzform. Als nächstes sehen wir uns diese sieben Punkte einmal im Detail an. Und welche Therapien gegen diese Krankheiten und damit Alterung entwickelt werden.
1. Müll zwischen Zellen:
Im Alter werden Menschen zunehmend vergesslicher. Ein Grund dafür sind Amyloid-Ablagerungen im Gehirn. Darunter versteht man Ansammlungen von klebrigen, missgebildeten Proteinen, die ihre Funktion nicht mehr erfüllen, sondern Zell- oder Gewebefunktion behindern. Amyloid ist ein Abfallstoff, der beim ganz normalen menschlichen Stoffwechsel auftritt. Mit zunehmendem Amyloid im Gehirn verlieren wird geistig an Leistungsfähigkeit, wir werden vergesslicher und immer unselbstständiger im Alter. Diese Krankheit nennt sich dann Alzheimer und endet tödlich. Im Körper gibt es noch so etwas ähnliches wie Amyloid, welches zu Diabetes Typ 2 und Herzversagen beiträgt.
Lösung: Derzeit befinden sich Medikamente in der Entwicklung und Erprobung, um das Amyloid im Körper bzw. Gehirn abzubauen. Drei Wege werden derzeit erprobt. Zum Einen aktive Impfstoffe, welche das menschliche Immunsystem dazu veranlassen, das Amyloid anzugreifen. Alternativ passive Impfstoffe, bei denen ein Mensch Antikörper per Spritze injiziert bekommt. Seit kurzem ist noch eine Dritte und recht vielversprechende Variante in der Entwicklung. Man hat herausgefunden, dass manche menschliche Antikörper - so genannte katalytische Antikörper - gegen bestimmte Antigene wirken und diese abbauen zu kleineren und weniger schädlichen Fragmenten. Das zugehörige Forschungsprogramm heiß AmyloSENS (wer danach im Netz suchen möchte).
2. Müll innerhalb von Zellen:
Neben Müll zwischen Zellen sammelt sich auch Müll direkt in Zellen an. Auch dabei handelt es sich um Abfallstoffe, die beim ganz normalen menschlichen Stoffwechsel entstehen und auch durch einen gesunden Lebensstil nicht zu vermeiden sind. Im Körper gibt es eine Müllverbrennungsanlage - die so genannten Lysosomen - welche den Müll innerhalb von Zellen abbauen sollen. In den meisten Fällen gelingt dies auch, aber in einigen Fällen eben auch nicht. Der verbleibende Müll führt zu schweren Krankheiten wie Herzinfarkt, Schlaganfall und anderen.
Lösung: Auch dieser Müll muss entsorgt werden. Forschungen haben gezeigt, dass dies im Prinzip auch gehen müsste. Man hat in Bodenbakterien Enzyme gefunden, welche in der Natur genau diesen Müll abbauen. Diese Enzyme müssen leicht verändert werden und im menschlichen Körper eingesetzt werden. So etwas ähnliches wird auch bereits gemacht. Bei Krankheiten wie der Gaucher-Krankheit fehlt manchen Menschen ein Enzym zum Abbau von entsprechenden Abfallstoffen. Diese Enzyme werden dann gespritzt oder per Gentherapie dafür gesorgt, dass der Körper sie selbst wieder herstellen kann. Exakt dieses Konzept soll gegen den bislang unabbaubaren Müll eingesetzt werden, um tödliche Krankheiten wie Herzinfarkt und Schlaganfall zu besiegen. Das Forschungsprogramm heißt LysoSENS (wer im Netz danach suchen möchte).
3. Vernetzung von Proteinen:
Im Verlaufe der Zeit kommt es immer mal wieder vor, dass zwei Proteine ungewollt eine chemische Verbindung eingehen. Diese "Vernetzen" sich miteinander und die Proteine verlieren die Fähigkeit sich frei zu bewegen. Es handelt sich sozusagen um "molekulare Handschellen". Die Blutgefäße werden dadurch immer starrer, die polsternden Effekte im Körper lassen nach und es droht ein Schlaganfall.
Lösung. Die Vernetzung der Proteine muss wieder aufgebrochen werden. Dazu werden derzeit entsprechende Enzyme bzw. Proteine entwickelt, welche genau dies tun sollen. Mit Alagebrium (oder ALT-711) befand sich bereits ein Medikament in der Testphase, jedoch waren die Ergebnisse im menschlichen Körper nicht ausreichend gut genug. Hier muss also noch weitere Forschung betrieben werden. Das Forschungsprogramm lautet GylcoSENS (wer im Netz danach suchen möchte).
4. Mutationen und Epimutationen:
Im Verlauf des Lebens kommt es in unseren Körpern zu Mutationen und Epimutationen. Unter Mutationen versteht man Schäden an der DNA-Sequenz selbst, Epimutationen sind Schäden am Gerüst der DNA. Die schlimmste Folge daraus ist Krebs, der nach wie vor in vielen Fällen tödlich für uns endet. Dabei sollte man Wissen, dass eine einzige Krebszelle nicht gefährlich ist. Das Problem ist nur, dass Krebszellen manchmal in der Lage sind, sich stark zu vermehren. Gelingt es nicht den Krebs zu stoppen, endet dies tödlich.
Lösung: Am Ende unserer DNA findet sich etwas, dass sich Telomer nennt. Bei der Vermehrung einer Zelle wird dieses Telomer kürzer. Ab einem gewissen Punkt kann sich eine Zelle nicht mehr vermehren. Krebs ist in der Lage zwei Systeme der Zelle zu verwenden, um das Telomer wieder zu verlängern. Dadurch kann sich die Zelle weiter vervielfältigen. Diese beiden Systeme zur Verlängerung der Telomere nennen sich Telomerase und ALT. Derzeit befinden sich bereits Medikamente im Einsatz, welche die Telomerase blockieren. Doch dies funktioniert bei manchen Krebszellen nicht, der Krebs wächst weiter. Und gegen die Telomerverlängerung durch ALT wirken diese Medikamente auch nicht. Daher befindet sich eine drastischere Lösung in der Entwicklung: Die Löschung der Gene für Telomerase und ALT. Sind diese Gene gelöscht, kann eine Krebszelle diese Gene gar nicht erst aktivieren um die Telomere zu verlängern. Der Krebs kommt nach einigen Teilungen zum Erliegen. Da sich dann auch gesunde Zellen nicht mehr teilen könnten, müssten frische Zellen durch Stammzellersatz per Spritze bereit gestellt werden. Diese würden dann über lange Telomere verfügen - damit sich die Zellen einige Male noch teilen könnten - aber über keine Gene für Telomerase oder ALT, so dass wenn die Stammzelle zu Krebs würde sie diese Mechanismen nicht für die massive Vervielfältigung nutzen könnten. Unklar ist auch noch, ob die Gene für Telomerase und ALT noch weitere nützliche Funktionen bereitstellen, die dann ebenfalls gelöscht würden. Es besteht jedoch die begründete Hoffnung, dass dem nicht so ist. Das Forschungsprogramm nennt sich OncoSENS (falls jemand danach suchen möchte).
5. Verlust von Zellen:
Jeden Tag unseres Lebens werden Zellen durch molekulare Ereignisse und Traumata beschädigt. Manche Zellen können repariert werden, aber andere werden zerstört oder geraten in einen Zustand, wo sie nutzlos werden oder gar andere Zellen schädigen. Diesen bezeichnet man als seneszenten Zustand von Zellen. Ein Teil der verlorengegangenen Zellen kann der menschliche Körper ersetzen. Aber eben nicht genug. Die Folge sind schlimme und tödlich endende Krankheiten wie zum Beispiel Demenz oder Parkinson.
Lösung: Sterben mehr alte Zellen ab als neue durch den Körper dazukommen, dann muss der Verlust manuell ausgeglichen werden. Und dies soll durch den Einsatz von Stammzellen erreicht werden. Die erste Strategie nennt sich induzierte Pluripotente Stammzelle (iPS). Dabei wird eine adulte Stammzelle in eine embryonale Stammzelle zurückverwandelt. Die zweite Strategie ist, neue Stammzellen aus adulten Zellen herzustellen und diese mit einer gespendeten menschlichen Eizelle zu verschmelzen (somatischer Zellkerntransfer). Das Forschungsprogramm nennt sich RepliSENS (wer danach suchen möchte).
6. Gealterte Zellen:
Im Lauf der Jahrzehnte sammeln sich immer mehr alte Zellen im Körper an, welche die Fähigkeit zur Teilung verloren haben. Diese bleiben dabei jedoch am Leben und sorgen zum Beispiel als Fettzellen für Diabetes. Und da die Zellen nicht mehr in Ordnung sind, drohen sie auch zu Krebszellen zu werden. Gealterte Zellen behindern auch die Funktionsweise des Immunsystems. Daher erliegen alte Menschen viel schneller einer Infektion - zum Beispiel einer Grippe - als junge Menschen.
Lösung: Das Problem mit den gealterten Zellen lässt sich auf zwei Art und Weisen lösen. Die erste Möglichkeit ist es, Medikamente zu entwickeln, welche die gealterten Zellen zerstören, aber gesunden Zellen keinen Schaden zufügen. Die zweite Möglichkeit besteht darin, dass menschliche Immunsystem gegen die unerwünschten Zellen aufzubringen. Diese abnormalen (gealterten) Zellen verfügen über spezielle Moleküle auf ihrer Oberfläche, mit deren Hilfe sie identifizierbar sind. Die SENS-Forschung bezeichnet dieses Forschungsprogramm als ApoptoSENS (wer im Internet danach suchen möchte).
7. Schäden in den Mitochondrien:
Bleibt uns noch der siebte und letzte Punkt. Auch die Kraftwerke in unserem Körper - die Mitochondrien - erzeugen Abfallstoffe während ihres Betriebes. In diesem Fall werden reaktionsfreudige Moleküle, freie Radikale genannt, erzeugt, welche zelluläre Strukturen schädigen. Und die DNA der Mitochondrien ist besonders verwundbar durch diese freien Radikale, weil sie so nah am Zentrum ihrer Produktion liegen. Die Folge daraus sind Krankheiten wie zum Beispiel Osteoporose (brüchige Knochen).
Lösung: Wir sind technisch weit davon entfernt die schädlichen Radikale zu verhindern. Daher ist von der Forschung her ein anderer Ansatz geplant. Um die DNA der Mitochondrien besser zu schützen, sollen Kopien der Gene in den Zellkern verlagert werden. Dort sind diese besser vor Radikalen geschützt. Dieser Forschungsbereich wird als MitoSENS bezeichnet (wer im Internet danach suchen möchte).
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