Lessing schafft mit seinem Stück Nathan der Weise ein Sinnbild der Toleranz, da sich am Ende zeigt, dass die verschiedenen Personen und Anhänger verschiedener Religionen miteinander verwandt sind. Dieser Artikel interpretiert das Stück ausführlich und geht auf jeden Auftritt ein.
Übersicht Aufzüge:
Zweiter Aufzug
1. Auftritt:
Die Geschwister Sittah und Saladin spielen Schach um Geld, aber der Sultan ist nicht bei der Sache und verliert, obwohl Sittah ihn auf seine Spielfehler aufmerksam macht. Er möchte gar nicht gewinnen und sich auf das Spiel konzentrieren, da er mit den Gedanken bei dem gebrochenen Waffenstillstand ist. Dadurch werden seine Pläne durchkreuzt, den Frieden mit einer Doppelhochzeit zwischen zwei seiner Geschwister und zwei Geschwistern von Richard I. zu besiegeln.
Außerdem hat er Geldsorgen und weiß nicht, wie er den weiteren Krieg finanzieren soll. Andererseits ist er aber extrem großzügig zu Sittah, da er ihr, wenn sie das Schachspiel verliert, die doppelte Prämie auszahlen lässt, um sie zu trösten. Seine Schwester wird als kluge und scharfsinnige Frau vorgestellt. Sie hinterfragt die Motive der Kreuzzüge, da die Christen nur den Namen „Christus“ verbreiten wollen, sich aber kein Beispiel an seinem vorbildhaften Leben nehmen.
2. Auftritt:
Als Al-Hafi dazukommt, soll er Sittah das verlorene Geld auszahlen. Da er selbst Schach spielt, sieht er auf den ersten Blick, dass Saladin noch gar nicht verloren hat und weist diesen darauf hin. Da zeigt sich die sture und auch aufbrausende Art des Sultans, denn er will davon nichts hören und wirft zuletzt sogar das Schachbrett um.
Al-Hafi ist kein typischer unterwürfiger Diener und sagt Saladin offen, dass etwas hinter seinem Rücken vorgeht. Sittah versucht es zwar zu verhindern, muss ihrem Bruder, dann aber gestehen, dass sie in letzter Zeit nicht nur auf das gewonnene Geld verzichtet hat, sondern auch sämtliche Aufwendungen des Hofes von ihrem Geld bezahlt hat, da die erwarteten Gelder aus Ägypten noch nicht eingetroffen sind und Saladin pleite ist. Ihr Bruder ist ihr dafür zutiefst dankbar, obwohl sie sich damit als Untergebene und Frau in seine Belange eingemischt hat. Dies zeigt zum einen, dass Sittah mehr vom Wirtschaften versteht als ihr Bruder und zum anderen, dass sie eine emanzipierte Frau ist, die selbst die Initiative ergreift.
Bei Saladin sieht man, dass er großzügig ist. Er ist zwar bereit Geld einzusparen, aber er will dies nur bei sich selbst tun. Da er sehr bescheiden lebt und nur ein Schwert, ein Gewand und ein Pferd sein Eigentum nennt, ist hier kein Einsparpotenzial. Nicht zu vergessen ist aber, dass er in einem riesigen Palast mit vielen Dienern lebt und von Reichtümern umgeben ist. Die Lösung des Problems soll sein, dass Al-Hafi Geld borgen soll. Dabei darf er aber nur zu Leuten gehen, die der Sultan nicht reich gemacht hat, damit es nicht wie eine Rückforderung wirkt. Das erschwert die Suche nach Geldgebern.
Sittah fällt dann ein, dass ihr Schatzmeister einen reichen Juden zum Freund hat, von dem er sonst immer in höchsten Tönen spricht. Da Al-Hafi bereits weiß, dass Nathan dem Sultan nichts leihen wird und er nicht Saladins Zorn auf diesen herabbeschwören will, redet er schlecht von seinem Freund. Er versucht ihn so vor dem Zugriff des Palastes zu schützen und erklärt, dass Nathan sämtlichen Vorurteilen gegenüber Juden gerecht wird. Das heißt, dass er zwar den Armen gibt, da es ihm die Thora gebietet und er gut vor Gott dastehen will, aber er nichts verleiht, um eben immer genug zum Verschenken zu haben. Damit interpretiert er Nathans Weisheit in Berechnung um. Außerdem behauptet er dann, dass er einen reichen Schwarzen kennt, den er aufsuchen will und eilt schnell davon, damit nicht mehr über seinen Freund gesprochen wird.
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3. Auftritt:
Sittah hat durchaus bemerkt, dass Al-Hafi nun ganz anders über Nathan gesprochen hat als sonst. Sie fragt sich, ob er sich in dem Juden getäuscht hat oder ob er sich für ihn schämt. Sie zieht es aber auch in Betracht, dass er nicht über Nathan reden wollte. Darin zeigt sich wieder ihr Scharfsinn und auch ihre Menschenkenntnis, denn sie hat den Derwisch durchschaut. Allerdings sind ihm ihre Motive schlussendlich egal, da sie Nathans Geld haben will.
Ihr Bruder, der nicht so listig ist wie sie, fürchtet, dass sie es ihm mit Gewalt nehmen will, doch ihr Plan sieht so aus, dass sie seine Schwachstelle finden und ausnutzen will. Diese ist Recha, was Sittah aber noch nicht weiß. Daher will sie noch darüber nachdenken.
4. Auftritt:
Während Nathan und Recha auf Daja warten, damit diese ihnen sagt, wo sich der Tempelherr aufhält, zeigt sich das innige Vater-Tochter-Verhältnis der beiden. Nathan bemerkt nämlich, dass Recha für ihren Retter schwärmt, was er aber nicht als bedenklich ansieht und diese auch zugibt. Er bittet sie darum, auch in Liebesdingen keine Geheimnisse vor ihm zu haben und allein die Vorstellung ihrem Vater nicht alles zu sagen, ist für Recha undenkbar, da er ihr engster Vertrauter ist.
5. Auftritt:
Obwohl Nathan bereits weiß, dass der Tempelherr keinen Kontakt zu ihm will, spricht er ihn dennoch an. Dabei ist er völlig vorurteilsfrei und unterstellt ihm nur das Beste. Ganz anders ist es bei dem Tempelherrn, denn er ist judenfeindlich eingestellt und würdigt Nathan herab, indem er ihn mit „Jude“ anspricht, was er verächtlich meint. Außerdem fällt er seinem Gegenüber ins Wort, um ein Gespräch im Keim zu ersticken.
Er macht deutlich, dass er mit der Rettung Rechas nur seine Pflicht als Tempelherr getan hat und es ihm zudem gerade egal war, ob er lebt oder stirbt. Daher war er gerne bereit, es sogar für eine Jüdin aufs Spiel zu setzen. Damit beleidigt er Nathan zusätzlich, was diesen jedoch nicht abschreckt. Er erkennt darin im Gegenteil die Bescheidenheit des Tempelherrn, da er die Beleidigung als Flucht vor Bewunderung interpretiert. Dann bietet er ihm Geld als Dank an, was dieser aber direkt ablehnt.
Da Nathan nicht locker lässt, sagt er, dass er sich Geld oder Stoff leihen will, wenn sein Mantel kaputt ist. Damit will er Nathan abwimmeln, denn bis auf einen kleinen Brandfleck ist dieser noch völlig intakt und es ist nicht zu erwarten, dass er überhaupt kommt. Nathan fällt eine Träne auf den Mantel, als er den Brandfleck sieht, da dieser ihn daran erinnert, dass er sein geliebtes Kind beinahe verloren hätte. Er bittet den Tempelherrn, den Mantel auch einmal Recha zu schicken, dass sie den Fleck küssen kann, da der Tempelherr selbst ja nicht kommen will, um ihren Dank zu erhalten. Durch diese Worte beschämt er den Tempelherrn, der seine Überheblichkeit ablegt und Nathan nun mit seinem Namen anspricht.
Eine weitere Annäherung der beiden findet statt, als Nathan den Tempelherrn erneut durchschaut, dass er nur nicht in sein Haus gekommen ist, weil der Hausherr weit weg war und er Recha nicht durch seinen Besuch in Verlegenheit bringen wollte. Das wäre die Denkweise eines jeden guten Menschen und gute Menschen sollen sich vertragen ohne zu streiten. Dagegen wendet der Tempelherr aber ein, dass er die Juden für überheblich hält, weil sie in seinen Augen zu stolz darauf sind, Gottes auserwähltes Volk zu sein und er wirft ihnen vor, diesen Stolz an die Christen und Muslime weitergeben zu haben.
Denn dies führte zu den Kreuzzügen, die er als blutiges Aufzwingen des eigenen Gottes empfindet. Diese Kritik an dem heiligen Krieg ist sowohl für die damalige Zeit als auch im Besonderen für einen Tempelherrn äußerst ungewöhnlich. Eigentlich müsste er als christlicher Mönch und Ritter voll und ganz hinter den Kreuzzügen stehen, da sie Ungläubige aus der Ketzerei holen und somit dem Himmelreich näherbringen. Außerdem galt die Befreiung Jerusalems als höchstes Ziel überhaupt und sollte der Lebensinhalt eines Tempelherrn sein.
Diese Sichtweise auf den Krieg und die Religionen deckt sich mit der Nathans, weshalb er will, dass sie Freunde werden. Denn zuallererst ist jeder ein Mensch und erst danach der Anhänger einer Religion, wobei noch hinzukommt, dass man sich seine Religionszugehörigkeit nicht aussuchen kann.
Am Ende ihres Gesprächs hat der Tempelherr eine vorurteilsfreie Sicht auf Nathan und erst auf dieser Basis ist es möglich, dass beide Freunde werden. Diese Freundschaft schließt die Familien mit ein, weshalb der Tempelherr nun doch gespannt ist, Recha kennenzulernen, was er vorher rigoros abgelehnt hat. Er wollte nicht einmal mit Nathan sprechen, doch dieser hat als weiser Erzieher auf ihn eingewirkt und ihn so Schritt für Schritt zu einer vorurteilsfreien Begegnung geführt.
6. Auftritt:
Daja kommt zu dem Gespräch dazu, weil sie es vor Sorge und Aufregung nicht abwarten kann, bis Nathan ins Haus kommt. Der Grund dafür ist, dass der Sultan nach Nathan schicken lässt, aber entgegen aller Erwartung nicht dessen Waren oder Geld will, sondern er möchte mit dem Juden sprechen.
7. Auftritt:
Nathan hatte bisher nichts mit dem Sultan zu tun und hat Al-Hafi gegenüber deutlich gemacht, dass er ihm kein Geld leihen wird. Diese Einstellung hat sich nun aber geändert, da er sich durch die Begnadigung des Tempelherrn an Saladin gebunden fühlt. Denn nur dadurch war es möglich, dass dieser Recha rettete. Nathan ist daher voller Erwartung, wie er dem Sultan zu Diensten sein kann.
Zuvor bespricht er mit dem Tempelherr noch, dass dieser noch am selben Tag zu Besuch kommt und er erfährt auch dessen Name: Curd von Stauffen. Dieser und die Gesten des Tempelherrn wecken bei ihm Erinnerungen an eine Person namens Wolf und er will nähere Nachforschungen anstellen. Nathan vermutet nämlich, dass der Tempelherr Wolfs Sohn sein könnte. Er versucht seine Neugier zwar vor seinem Gegenüber zu verbergen, aber es gelingt ihm nicht recht und der Tempelherr will noch nicht seine ganze Familiengeschichte vor ihm ausbreiten.
8. Auftritt:
Nathan durchschaut, dass Daja und auch Recha wissen wollen, was er mit dem Tempelherrn besprochen hat und dies sie viel mehr beschäftigt als der Ruf des Sultans. Nathan erzählt, dass der Tempelherr demnächst vorbeikommt und bittet Daja nochmal eindringlich, Recha nichts von dem Geheimnis zu sagen, da er selbst einen Plan hat, den er aber nicht weiter erläutert. Er spürt, dass es Daja immer schwerer fällt zu schweigen.
9. Auftritt:
Al-Hafi kommt erneut zu Nathan und dieser denkt, dass der Sultan ihn als zweiten Boten geschickt hat, weil er zu lange braucht. Dem ist aber nicht so, denn Al-Hafi kommt, um sich zu verabschieden. Er legt heimlich sein Amt als Schatzmeister nieder, da er es nicht mitansehen kann, wie seine Freunde von Saladin ausgenommen werden. Er entschuldigt sich bei Nathan dafür, dass er es nicht abwenden konnte, dass der Sultan sich Geld von ihm leihen will.
Zusätzlich warnt er ihn noch, dass Saladin keinen Rat annimmt und führt als Beispiel das Schachspiel an. Nathan reagiert darauf etwas spöttisch, da er meint, dass sich sein Freund in seinem Stolz als guter Schachspieler gekränkt fühlt. Das wehrt der aber ab und führt weiter aus, wie schlimm das Borgen für ihn ist. Er kommt sich vor wie ein Dieb und will so nicht mehr leben. Deshalb will er seinen Lebenstraum verwirklichen und als Bettelmönch bei Lehrern seines Glaubens am Ganges leben.
Er bietet Nathan an mitzukommen, was eine große Ehre ist und seine Wertschätzung gegenüber diesem ausdrückt. Als dieser aber zögert, nimmt er es ihm nicht übel, sondern stellt fest, dass sich ihre Wege trennen werden. Nathan verspricht ihm noch, die geringen Schulden, die er noch hat, zu begleichen und er bewundert seinen Freund, der einfach alles stehen und liegen lässt, um ein selbstbestimmtes und freies Leben zu führen.
Autorin: Kirsten Schwebel
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