Das Gegenmotiv zum Gebirge ist der Brunnen. Viermal geht Lenz nach oben ins Gebirge und viermal stürzt er sich in den Brunnen hinunter. Er ist jedes Mal zutiefst verzweifelt und fühlt sich verlassen.
Das erste Mal stürzt sich Lenz in der Nacht seiner Ankunft bei Pfarrer Oberlin in den Brunnen. Nach dem herzlichen Empfang bei den Oberlins wird Lenz im benachbarten Schulhaus untergebracht, weil im Pfarrhaus kein Platz für ihn ist. In seinem kalten Zimmer angekommen, fühlt er sich direkt einsam und bekommt Angst. Er will beten, kann es aber nicht. Er merkt immer stärker, dass er sich selbst zu verlieren droht. Deshalb fügt er sich selbst Schmerzen zu und stürzt sich schließlich in den nicht sehr tiefen Brunnen. Das bringt ihn wieder zur Besinnung und vertreibt den Wahnsinnsanfall. Vor den zusammengelaufenen Leuten schämt Lenz sich nun und gibt als Ausrede an, dass er gerne kalt bade. Er ist nun wieder völlig klar und kann einschlafen.
Nach diesem Erlebnis hat er einige Tage keine Probleme und lebt sich bei den Oberlins ein. Die Gespräche mit dem Pfarrer tun ihm gut, bis er eines Abends wieder vom Wahnsinn übermannt wird. Alle Versuche, wieder zu Besinnung zu kommen, scheitern, doch der Sprung in den kalten Brunnen hilft schließlich.
In der folgenden Zeit wird Lenz zunehmend ruhiger. Aufwühlend ist für ihn dann aber der Besuch von Kaufmann, der ihn an die Wünsche seines Vaters erinnert. Auch dass Oberlin mit Kaufmann in die Schweiz reist und Lenz daher ohne seine Hauptbezugsperson im Steintal zurückbleibt, ist für seine Genesung nicht förderlich. Er fühlt sich wieder einsam und fürchtet sich vor sich selbst. Außerdem fällt er vom Glauben ab, als es ihm nicht gelingt, ein totes Kind wieder zum Leben zu erwecken. Damit ist seine zweite Stütze weggebrochen. Oberlin kommt zwar aufgrund des schlechten Gesundheitszustandes seines Schützlings früher aus der Schweiz zurück, aber er kann Lenz nicht mehr so helfen wie vorher. Dieser hat sich nämlich in die Vorstellung hineingesteigert, seine Geliebte, Friederike, getötet zu haben und Oberlin kann es ihm nicht ausreden.
In der folgenden Nacht stürzt Lenz sich das dritte Mal in den Brunnen und ruft nach seiner Geliebten. Diesmal hat das Bad im Brunnen aber nicht die gewohnte wohltuende Wirkung, denn Lenz stürzt sich verzweifelt immer wieder hinein und es dauert eine Weile, bis er ruhig wird und das kalte Wasser wirkt. Dies zeigt seinen immer weiter fortschreitenden Wahnsinn.
Es tritt nun keine Besserung seines Zustandes mehr ein, er versucht sogar mehrfach halbherzig sich umzubringen. Daher lässt Oberlin ihn nun nicht mehr ohne Begleitung aus dem Haus. Lenz hat von nun an immer zwei Aufpasser dabei. Aber der Wahnsinn wird immer stärker und er hat nun immer häufiger und auch tagsüber Anfälle.
Seine Suizidversuche, die nun zunehmen, haben allerdings nicht wirklich das Ziel, aus dem Leben zu scheiden, sondern Lenz will durch den Schmerz wieder zu sich selbst finden. So springt er beispielsweise aus dem Fenster oder stürzt sich erneut in den Brunnen. Dass er sich nicht wirklich töten will, liegt auch daran, dass er den Glauben an Gott und damit auf ein besseres Jenseits verloren hat. Er hat keine Hoffnung, dass es etwas nach dem Tod gibt und dass er dann Ruhe findet.
Diese ganzen Umstände führen schließlich dazu, dass Oberlin sich außerstande sieht, weiterhin für Lenz‘ Sicherheit zu garantieren. Deshalb schickt er ihn gut bewacht nach Straßburg zurück, wo Lenz noch einige Jahre vor sich hinlebt, bis er stirbt.
Das Gegenmotiv zum Brunnen, in den Lenz sich hinabstürzt, ist das Gebirge in das er hinaufgeht. Jeder Gang ins Gebirge stellt einen weiteren Entwicklungspunkt seiner Krankheit dar. Weiter zur Interpretation Gebirgsmotiv.
Autorin: Kirsten Schwebel
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